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Prof. Andreas Winkels © John Humphries

Prof. Andreas Winkels übernimmt das Fachgebiet Energie und Technik

„Man muss sich dem Bestand zuwenden“

In Zeiten knapper Energieressourcen kommt der Technischen Gebäudeausrüstung eine besondere Aufmerksamkeit zu. Am 1. Dezember übernimmt Prof. Andreas Winkels das Fachgebiet Energie und Technik am Fachbereich Architektur (fatuk) der RPTU in Kaiserslautern. Ein Gespräch über die Zukunft von Heizsystemen, erfolgreiche Architekturwettbewerbe und Räume, in denen wir uns auch bei 18 Grad noch wohlfühlen können.

Herr Professor Winkels, derzeit scheint fast jeder in Deutschland mit Fragen der Energieeinsparung beschäftigt zu sein. Besonders über zwei Wärmeerzeuger wird oft diskutiert: die moderne Wärmepumpe und der eher archaische Kaminofen. Womit heizen Sie Ihr Zuhause?

Tatsächlich mit beiden. Unsere Luftwärmepumpe funktioniert sehr effizient bis etwa minus 5 Grad Außentemperatur. Wenn es noch kälter wird, schalte ich sie ab und nutze stattdessen einen geschlossenen Kamin. Das funktioniert aber nur gut in einem kleinen Haus auf dem Land, in dichter besiedelten Gebieten oder in der Stadt würde ich das nicht empfehlen. Abgesehen von den Emissionen – wer will schon das ganze Holz in die oberen Stockwerke schleppen?

Sie sind also privat bereits unabhängig von fossilen Brennstoffen?

Ja, allerdings ohne die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen vorausgeahnt zu haben. Bis vor wenigen Jahren habe ich als Fachplaner, sofern es in den Projekten sinnvoll war, ebenso Gas als Energieträger empfohlen. Es war uns dabei aber immer ein Anliegen, niedrig temperierte Flächenheizsysteme wie Fußboden- oder Wandheizungen vorzusehen.

Aus welchem Grund?

Zum einen aus gestalterischen Gründen, aber auch, um später einmal auf Heizsysteme umstellen zu können, die mit geringen Vorlauftemperaturen arbeiten, zum Beispiel Wärmepumpen.

Ihre Planungen betreffen vor allem so genannte „Nichtwohngebäude“. Zusammen mit Staab Architekten aus Berlin haben Sie verschiedene Museumsbauten konzipiert. Wandfläche gab es da sicher mehr als genug?

In Museen sollte möglichst wenig Haustechnik sichtbar sein. Das Heizsystem kann – ähnlich wie bei einer Fußbodenheizung – in den Wandflächen verborgen werden. Eine großflächige Temperierung der Oberflächen ermöglicht es, die Raumluft-Temperatur relativ niedrig zu halten. Denn ob ein Raumklima als behaglich empfunden wird, hängt vor allem von der Differenz zwischen der Temperatur unserer Körperoberfläche und der Durchschnittstemperatur der uns umgebenden Raumflächen ab. Wenn diese Oberflächen auf ungefähr 22 Grad erwärmt sind, benötige ich eine Lufttemperatur von nur noch 18 Grad oder sogar weniger, um mich in dem Raum wohl zu fühlen.

Das würde bei einer zurzeit auf 19 Grad limitierten Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden erhebliche Nachrüstungen erfordern.

Es besteht zweifellos ein großer Handlungsbedarf bei Bestandsbauten, hier sind neue Ideen gefragt. Mein besonderes Forschungsinteresse liegt in der Entwicklung von niedrig temperierten Heizungssystemen für Bestandsgebäude. Niedrig temperiert deswegen, weil sie nur so „stromtauglich“ sind, also mit erneuerbarer Energie aus Photovoltaik und Windkraft gespeist werden können. Mit Strom ohne Wärmepumpe zu heizen, etwa mit einem Heizlüfter, wäre als Dauerlösung eine ökonomische Dummheit und eine ökologische Sünde! Eine Wärmepumpe hingegen kann, wenn sie effizient läuft, aus der Umgebungswärme mit einer Kilowattstunde Strom vier Kilowattstunden Wärme produzieren.

Soll nennenswert Energie eingespart werden, muss man sich verstärkt dem Bestand zuwenden, vor allem den Wohngebäuden. Dort lassen sich Wand, Decke und Fußboden aber oft nicht einfach umbauen.

Das ist die Herausforderung! Bei der Nachrüstung von Wohngebäuden, vor allem in Mietwohnungen mit wechselnden Nutzern, wird man oft eher über eine Vergrößerung der vorhandenen Heizkörperfläche nachdenken müssen.

Sollten angehende Architektinnen und Architekten sich künftig mehr mit Haustechnik beschäftigen?

Mein Ziel ist es, dass die Studierenden die Minimierung des Energiebedarfs durch Vergrößerung der Heizflächen im Kontext ihrer eigenen Planung berücksichtigen. Dabei kann es durchaus unterschiedliche Ansätze geben: Soll die Technik unsichtbar sein, bieten sich die genannten Flächenheizsysteme an. Soll die Technik sichtbar oder gar als gestalterisches Element in einem Gebäude eingesetzt werden, dann überlegen wir gemeinsam, wie sich etwa große Heizkörper im Sinne des Entwurfs integrieren lassen. Es gibt nicht nur die eine Lösung.

Hat dieser Ansatz Auswirkungen auf die Architektur?

Die Technik verändert nicht die Architektur. Mein Anliegen ist es, die Studierenden zu befähigen, sich bei ihren Entwurfsideen vorstellen zu können, wie darin die Haustechnik aussieht. Um dies zu verstehen, muss man zwar alles einmal durchgerechnet haben, aber allzu kompliziert ist das gar nicht. Es geht mir keineswegs darum, dass langweilige Normen auswendig gelernt werden. Die Studierenden müssen einfache Berechnungsansätze beherrschen, mit denen sie überprüfen können, ob ihr Gebäude energieeffizient funktionieren kann.

Könnte Ihr Ansatz nicht auch neues gestalterisches Potenzial bieten? So wie es früher raumprägende Öfen mit Sitzbänken, Nischen, Backrohr und Kochplatten gab, so könnten doch temperierte raumbildende Elemente neue Möglichkeiten im Entwurf eröffnen.

Wenn ich diese Vorstellung bei Ihnen erzeugt habe, dann freut es mich! Wir werden in Zukunft sicher mehr architektonische Lösungen sehen. Viele Planende dürften sich gegen sichtbare Heizkörper und stattdessen für eine integrierte Flächentemperierung entscheiden. Die verlangt selbstverständlich nach einer intelligenten räumlichen Gestaltung.

Ein wichtiger Teil der Haustechnik rückt damit mehr in die Verantwortung der Architektinnen und Architekten. Der Vorwurf einer Übertechnisierung der Gebäude wurde in den letzten Jahren immer lauter.

Der Low-Tech-Ansatz, also möglichst einfache und stabile Lösungen zu konzipieren, ist seit langem eines meiner Steckenpferde. Denn oftmals bietet die Technik uns Lösungen an für Probleme, die sie selbst erst erzeugt hat. Hier und da wird aber auch versucht, eine – salopp gesagt – schlechte Architektur durch den Einsatz von Technik zu kompensieren. Warum wird eine Glasfassade entworfen, deren Konstruktion schließlich aufwendig beheizt werden muss? Technik um der Technik willen, ist nicht mein Ansatz.

Fragen des effizienten Gebäudebetriebs spielen auch bei Architekturwettbewerben eine große Rolle. Wie gehen Sie vor, wenn Sie als Fachplaner von einem Architekturbüro für ein anspruchsvolles Projekt hinzugezogen werden?

Zuerst lesen wir uns gemeinsam die Auslobung durch, um die Ziele des Bauherrn zu verstehen. Bevor sie den ersten Strich ziehen, fragen mich die Architekten: Wie viele Technikräume brauchen wir, wo müssen sie positioniert sein und wie sieht das Erschließungskonzept aus? Wie soll geheizt und wie gelüftet werden? Man muss dazu leider feststellen, dass die Auslobungen seit ein paar Jahren immer spezifischere Vorgaben zur technischen Gebäudeausrüstung enthalten, so dass der planerische Spielraum verengt wird. Soll ein Gebäude beispielsweise nicht kontrolliert, sondern frei be- und entlüftet werden, muss ein Architekturbüro schon Mumm und ein gutes Konzept haben, um sich dem zu widersetzen. Von den erfolgreichen Projekten, an denen ich beteiligt war, weiß ich aber: Wir haben immer sehr früh miteinander geredet.

Zum Schluss: Wie kam es zu Ihrer Entscheidung für den fatuk in Kaiserslautern?

Die TH Bingen, vor allem ihr Fachbereich Energie- und Verfahrenstechnik, hat in der Industrie einen guten Ruf. Als Professor für Versorgungstechnik fehlte mir dort aber das integrale Zusammenspiel mit der Architektur. Man rettet damit vielleicht nicht die Welt, aber zusammen mit Architekturstudierenden lässt sich doch einiges bewegen.

Das Interview führte Nils Ballhausen.

 

Andreas Winkels, geboren 1961 in Kleve, gründete 1992 ein eigenes Planungsbüro in Münster (zuletzt firmiert als wbp Ingenieure). Das Büro spezialisierte sich auf gebäudetechnische Planungen für anspruchsvolle Architektur und gehörte zeitweise zu den wettbewerbstärksten in Deutschland. Der Planungsansatz war häufig ein minimalistisches Technikkonzept („Low-Tech“) und die Temperier-Technik als Voraussetzung für energieoptimiertes Heizen und Kühlen. Zu den realisierten Projekten gehören u.a. das Landesmuseum Münster, das jüdische Museum Frankfurt und das Rhein-Main-Kongresszentrum in Wiesbaden. Nach dem Verkauf des Büros und seiner Berufung an die TH Bingen 2014 gründete er gemeinsam mit Dr. Martin Pudlik 2018 das Beratungsbüro Winkels/Pudlik. Neuere Wettbewerbserfolge (1. Preise) sind die Bibliothek St. Gallen (mit Staab Architekten, Berlin), der Neubau der Anne-Frank-Schule in Karlsruhe (mit Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Stuttgart) und -ganz aktuell- der Campus Golzheim in Düsseldorf (ebenfalls mit Staab). Bereits 2017 und 2018 übernahm Andreas Winkels als Lehrbeauftragter die Vorlesungen für die Technische Ausrüstung am fatuk. Nach einem Forschungsaufenthalt am Lawrence Berkeley National Laboratory der UC Berkeley wurde er zum 01.12.2022 an die TU Kaiserslautern berufen und übernimmt dort am Fachbereich Architektur das Fachgebiet Energie und Technik.