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Susanne Frank © Mechthild Schneider

»Es ist wichtig, die Maßstabsebenen von Stadt und Architektur gleichzeitig zu betrachten.«

Prof. Dr. Susanne Frank leitet seit 2023 das Lehr- und Forschungsgebiet Stadt und Architektur am fatuk der RPTU in Kaiserslautern. Ein Gespräch über die Vorzüge des permanenten Maßstabswechsels, das redaktionelle Arbeiten als Methode, die Grenzen der Zahlen und die politische Dimension der Stadtplanung.

Susanne Frank, Sie haben Ihr Architekturstudium an der TU Kaiserslautern begonnen und dort 1994 das Vordiplom absolviert.

Ja, das ist lange her, auch deswegen berührt mich dieser Ort bis heute besonders. Meinen Berufungsvortrag habe ich dort gehalten, wo ich früher als Studentin zwei Jahre lang gearbeitet und die ersten Grundzüge der Architektur kennengelernt hatte.

 

Begegnen Sie in Gedanken hin und wieder der Studienanfängerin von einst?

In den Gängen manchmal, die wurden aber zu meiner Zeit vor allem für Ausstellungen genutzt und nicht so sehr zum Arbeiten. Das hat sich glücklicherweise verändert. Es ist gut, dass es hier heute Arbeitsräume und Werkstätten gibt. Und ja, es ist schon speziell, wieder den „160er“ zu betreten oder im Hörsaal zu stehen, nur eben mit einer anderen Perspektive.

 

Drei Jahrzehnte später kommen Sie als neu berufene Professorin zurück und treffen auf eine Generation von Studierenden, die sich vermutlich in vollkommen anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen bewegt, andere inhaltliche und strukturelle Voraussetzungen des Architekturstudiums vorfindet als Sie damals.

Das ist richtig, es hat sich Vieles verändert: die Strukturen und die Stimmung an der Uni, die Haltung und das Engagement der Studierenden, die Voraussetzungen und Anforderungen in Lehre und Forschung. Als ich damals ging, waren die Fachbereiche Architektur, Raum- und Umweltplanung sowie Bauingenieurwesen noch ein ganzheitliches Konstrukt namens ARUBI, was ich gerade aus meiner heutigen Perspektive sehr spannend finde. Denn mit meiner Lehr- und Forschungstätigkeit an der ETH Zürich vertiefte ich Schritt für Schritt das interdisziplinäre und maßstabsübergreifende Arbeiten. Die drei Disziplinen in ARUBI haben viele Berührungspunkte und Schnittmengen bei aktuellen Themen, was unserer gemeinsamen Ambition, die Umwelt zu gestalten, nur dienlich sein kann.

 

Sie haben einen vielgestaltigen beruflichen Werdegang: architektonische Praxis, universitäre Lehre, publizistische Tätigkeiten, Promotion, Arbeiten in einer Planungsbehörde. Sie beschäftigen sich offensichtlich gerne aus verschiedenen Perspektiven mit Architektur und Stadt.

Berührungsängste habe ich jedenfalls keine. Eine logische Abfolge meines bisherigen Berufswegs ergibt sich für mich erst in der Rückschau; ich habe mich immer von meinen jeweiligen Interessen leiten lassen. Der größere Maßstab, also das Denken auf der Ebene von Stadt in einem weiten Zusammenhang, hat mich immer interessiert. Deswegen bin ich nach dem Vordiplom in Kaiserslautern an die TU Darmstadt gewechselt, wo es viele Möglichkeiten gab, städtebauliche Themen zu vertiefen.

 

Nach Ihrer langjährigen Tätigkeit als Projektleiterin bei meck architekten in München sind Sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die ETH Zürich gewechselt. Warum der Schritt zurück zur Universität?

Ich habe mir immer gewünscht, in der Lehre tätig zu sein. Die Methodik und die Themen dieses Entwurfskurses haben mich interessiert. Jede Entwurfsentscheidung wurde auf der Ebene von Architektur und Stadt reflektiert, und das halte ich immer noch für sehr relevant. Es ist wichtig, die Maßstabsebenen von Stadt und Architektur gleichzeitig zu betrachten. Ideal wäre es, sich mühelos zwischen den verschiedenen Maßstabsebenen bewegen zu können. Im städtischen Kontext gelangt man schnell zu disziplinübergreifenden Themen und wird dazu angeregt, andere Blickwinkel einzubeziehen. Ob Theorie, Konstruktion oder der Bezug auf die Landschaft, alles wurde parallel gedacht und die jeweiligen Einflüsse auf den spezifischen Entwurf gespiegelt. So fand ich in diesem Kontext auch einen fließenden Übergang von der Entwurfslehre hin zur Forschung.

 

Eine gute Vorbereitung für Ihren Eintritt in die Redaktion der Schweizer Zeitschrift TEC21?

Das Arbeiten in einer interdisziplinären Redaktion empfand ich als sehr bereichernd, sowohl inhaltlich als auch methodisch. Ich hatte dort die Möglichkeit, über das Medium der Zeitschrift Themen in den aktuellen Diskurs einzubringen. So entstand zum Beispiel eine Serie über die strategische Entwicklung der Region Basel, aber auch Themenhefte zur Wiederbelebung des Bestands, bei dem wir mit Expert:innen der Kunstgeschichte oder der Denkmalpflege zusammengearbeitet haben.

 

Ging es dabei auch um Kritik an bestehenden Verhältnissen?

Zunächst haben wir uns, wenn es um die inhaltliche Linie einer Ausgabe ging, innerhalb der Redaktion gegenseitig kritisiert, sodass die Sicht eines Bauingenieurs oder einer Bauingenieurin mit einfloss oder die eines Umweltplaner oder einer Kunsthistorikerin. Städtebau ist ein Gemeinschaftswerk, bei dem alle relevanten Kräfte in Einklang gebracht werden sollten. Unsere internen kritischen Diskussionen haben das begleitet und eingebettet, und durch diese Reflexionen und Auseinandersetzungen kamen oft neue Nuancen hinzu, denen zuvor aus der jeweils eigenen Disziplin heraus zu wenig Bedeutung geschenkt wurde. Ein wichtiger methodischer Aspekt, den ich aus meiner wissenschaftlichen und redaktionellen Arbeit in die Planungspraxis mitgenommen habe: Es geht darum, Komplexität zu reduzieren, die Essenz einer Idee festzuhalten und ein Thema auszuformulieren.

 

Welche Rolle spielt die Politik in Planungsprozessen? Man bewegt sich ja nicht nur inmitten von Fachleuten, sondern es entscheiden oft fachfremde Menschen aus dem Politikbetrieb.

Stadtplanung ist immer geprägt durch den politischen Prozess. Und nun eröffnen wir ein wichtiges Themenfeld, das uns seit geraumer Zeit immer stärker bewegt, nämlich der Umgang mit dem Bestand. Wie integrieren wir wertvolle Bausubstanz? Wie bauen wir im Bestand weiter? Das ist im Hinblick auf nachhaltige Stadtmodelle und resiliente Strukturen ein wichtiges Thema im aktuellen Diskurs. Und das bedeutet, dass wir Lösungen finden müssen, bei denen wir in Etappen planen, neue Szenarien kreieren, Zwischennutzungen ins Spiel bringen und uns erlauben, Schritt für Schritt vorzugehen.

Ob und wie das gelingt, hängt mit den Kräften der Wirtschaft zusammen und wie die Politik diese Prozesse steuert. Man muss vielleicht einen Investor überzeugen, die Chancen eines Orts aufzeigen, die Identität stiftende Kraft von bestehenden Räumen, Gebäuden und Strukturen integrieren und so versuchen, neue Lösungen zu finden. Im vergangenen Wintersemester haben wir für die Bachelor-Thesis einen Entwurf für das Areal der Bruch-Brauerei in Saarbrücken herausgegeben. Das Gebäude ist vom Abriss bedroht, aber wir konnten mit den Entwürfen zeigen, dass es auch andere, sinnvollere Lösungen gibt.

 

Wie gelingt es schließlich, solche Entwürfe umzusetzen?

Wenn die Politik und mögliche Investoren bei diesen Überlegungen außen vor bleiben, führt es zu nichts. Bei einer städtebaulichen Planung ist es wichtig, dass die beteiligten Menschen sich damit identifizieren und Teil dieser Prozesse werden. Dazu müssen entsprechende Formate mitgedacht werden, um die Leute einzubeziehen, und zugleich muss man in engem Austausch mit der Politik stehen.

 

Sind die Studierenden, die ja irgendwann in diese realen Prozesse eintauchen werden, genügend darauf vorbereitet?

In der Form wie eben beschrieben? Nur bedingt. Mir selbst wurde diese Dimension erst durch meine Tätigkeit beim Kanton Basel in vollem Umfang deutlich, aber schon in meiner redaktionellen Arbeit habe ich die wichtigen Stakeholder und Beteiligten durch Interviews und Gespräche in das jeweilige Thema eingebunden. Mir ist wichtig, dass die Studierenden neugierig werden auf dieses Wissen und auf die Intentionen der „Anderen“ –und ich möchte es mit Best-Practice-Beispielen übersetzen, bei denen es gelungen ist, ein bestehendes Ensemble in eine neue Zeitschicht zu überführen, ihm ein neues Leben zu geben. Man kann diese analysieren und daraus Schlüsse ziehen. Und dann probieren wir das im eigenen Entwerfen in unserer Entwurfswerkstatt aus, so wie bei den aktuellen Entwurfsaufgaben rund um das Pfaff-Areal. Es ist jetzt die Zeit, hier neue Impulse zu setzen.

 

Gibt es dabei einen Fokus auf bestimmte Orte oder Regionen?

Für mich ist es wichtig, die Umgebung der Hochschule mitzugestalten und hier etwas ausprobieren zu können. Das genannte Brauerei-Areal in Saarbrücken war ein aktuelles Thema in unserer Region. Die Studierenden sollten sich mit dem Ort identifizieren können, ihn problemlos mehrmals im Laufe des Semesters besuchen und erkunden können. Im Master sollen die Studierenden dann über den Tellerrand hinausschauen. Die jüngsten Entwurfsprojekte waren im Basler Kontext angesiedelt, in der angrenzenden Gemeinde Birsfelden, die eingebettet ist in den Metropolitanraum Oberrhein, wo zurzeit eine große Dynamik herrscht. Unser Thema dort sind Stadtreparaturen, die in einen Kontext gesetzt werden, der spannend ist, weil er weit über Basel hinausgeht und angrenzende Regionen in der Schweiz, Deutschland und Frankreich einbezieht. In diesem Raum würde ich künftig gerne Forschungsprojekte aufbauen. Dabei ist es hilfreich, dass ich aus meiner Zeit in Basel wichtige Zusammenhänge kennengelernt habe und dort auf Projektpartnerschaften aufbauen kann.

 

Aus meiner eigenen Arbeit in einer Redaktion kenne ich das permanente Ringen zwischen inhaltlicher Relevanz und wirtschaftlichem Interesse. Ein Verlagsmanager behauptete sogar einmal: „Qualität ist, was sich verkauft.“ Übertragen auf die stadtplanerische Entwicklung von Transformationsarealen: Ist nur das von Bedeutung, was sich wirtschaftlich verwerten lässt?

Wir müssen beides in Einklang bringen. Die wirtschaftlichen Interessen sind entscheidend für die Entwicklung von Stadt. Wem gehört der Boden und wer hat welche Möglichkeiten, dort etwas umzusetzen? Kann die Kommune ein Areal selbst entwickeln? Kann sie es kaufen, um die Hebel in der Hand zu haben? In meiner Forschung zur Stadtdichte habe ich die Relevanz und Grenzen der Zahlen ausgelotet. Die Dichte-Kennziffer ist ein Gradmesser für Effizienz. Im Hinblick auf das, was wir gestalterisch tun können, ist ihre Aussagekraft jedoch sehr eingeschränkt. Ob aber eine Revitalisierung gelingt, wie der Abwägungsprozess einer solchen Entwicklung verläuft, wie hoch die Ausnutzung ist, ob es sich lohnt zu investieren, ab wann welches Programm funktioniert, ob und welche öffentliche Nutzung man anbieten kann, das hängt alles auch mit der Dichte, mit Zahlen, mit Kennziffern zusammen. Insofern ist es unerlässlich, diese wirtschaftlichen Zusammenhänge zu kennen und darzustellen. Das können wir im Rahmen des Architekturstudiums zwar nicht umfänglich leisten, aber ich sehe meine Aufgabe auch darin, für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren und darzulegen, wie die Stadt durch wirtschaftliche Interessen gesteuert wird. Und das wäre eigentlich nochmal ein Gespräch für sich…

 

 

Das Gespräch führte Nils Ballhausen.

 

 

Susanne Frank studierte Architektur an der TU Kaiserslautern und der TU Darmstadt, wo sie 2001 diplomierte. Bis 2006 war sie Projektleiterin bei meck architekten in München, seit 2005 bearbeitet sie Projekte in selbständiger Tätigkeit. Von 2006 bis 2014 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Oberassistentin für Entwurfslehre und Forschung an der ETH Zürich. 2015 erschien ihre Dissertation „Stadtdichte und Stadtraum“ an der ETH Zürich. 2014 trat sie in die Redaktion von TEC21 – Schweizerische Bauzeitung, ein. 2017 wechselte sie zum Kanton Basel-Stadt, Städtebau & Architektur und war dort für die Transformation und Weiterentwicklung der Areale am Rheinhafen verantwortlich. 2023 wurde sie als Professorin an die RPTU Kaiserslautern-Landau berufen, wo sie am Fachbereich Architektur (fatuk) das Lehr- und Forschungsgebiet Stadt und Architektur leitet.